Hessische Automobilgeschichte

Grand Prix Wagen aus Ober-Ramstadt – Die Zoller-Renngemeinschaft

Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers wurde der Automobil-Rennsport in Deutschland zur »nationalen Sache«erklärt. Der Automobilindustrie, voran Auto Union und Mercedes, wurde mit finanziellen Unterstützungen der Bau von konkurrenzfähigen Rennwagen schmackhaft gemacht – das Zeitalter der »Silberpfeile« brach an.
Die Voraussetzung dafĂĽr hatte die neue 750 kg-Formel geschaffen, die im Rennwagenbau ab 1934 gĂĽltig war. Mercedes kam mit dem neuen Rennwagen W 25 und die Auto Union hatte vom KonstruktionsbĂĽro Porsche den P-Wagen konstruieren lassen.
Aber die Fachpresse sprach damals nicht nur von diesen beiden Rennwagen. Mit der Zoller-Renngemeinschaft existierte noch ein drittes deutsches Rennteam, das in der kleineren 1,5 Liter-Klasse antreten wollte. Beim AVUS-Rennen am 27. Mai 1934 gaben die mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Zoller-Rennwagen ihr Debüt. Allerdings mit wenig Erfolg – der erste, von Gerhard Macher gesteuerte Rennwagen, rollte schon nach der ersten Runde wieder an die Boxen. Der zweite, von Ernst von Delius gesteuerte Wagen, musste in der vierten Runde mit durchgebrannter Kopfdichtung das Rennen aufgeben. Die AVUS-Hoffnung des Zoller-Rennteams war schnell an der noch nicht ausgereiften Technik gescheitert.
Frustriert transportierte das Rennteam die erfolglosen Wagen zurück an ihren Entstehungsort, die Werkshallen der Neue Röhr Werke AG in Ober-Ramstadt. Dort hatte die Renngemeinschaft Räume angemietet, um das ehrgeizige Zollerprojekt zu realisieren.
Der Renngemeinschaft gehörten Ernst von Delius, Gerhard Macher, Herbert Wimmer und Borries Freiherr von Münchhausen an (später übernahm Karl Freiherr von Michel aus Tüßling den Wagen von Borries von Münchhausen).
FĂĽr die Konstruktion des Rennwagens war der schweizer Ingenieur Arnold Zoller verantwortlich, welcher der Renngemeinschaft auch den Namen gab. Zoller nahm Anfang 1934 seine Arbeit in Ober-Ramstadt auf. Bald lief der erste von Zoller konstruierte Motor auf dem PrĂĽfstand. Der Zoller-Motor war ein Sechszylinder-Zweitaktmotor mit U-Zylindern und Doppelkolben. Der aus Leichmetall hergestellte Motor hatte ZylinderlaufbĂĽchsen aus Stahl. Der abnehmbare Zylinderkopf war ebenfalls aus Leichtmetall gefertigt. Auf dem vorderen Enden der Kurbelwelle waren zwei Zoller-Kompressoren angeordnet. Die Zylinderbohrung betrugen 43 mm und der Hub 84 mm. Bei einem Ladedruck von 1,5 bar sollte der 1,5 Liter-Motor bei etwa 6000 U/min eine Leistung von 200 PS erreichen. FĂĽr die damalige Zeit sehr respektable Werte.
Das Fahrwerk ließ deutlich den Einfluss der Röhr-Werke erkennen: Vorne wurden die Räder an einer oben liegenden Querblattfeder und darunter angeordneten Querlenkern geführt. Hinten hatten die Techniker eine Pendelachse mit Querblattfeder gewählt. Die Karosserien für die Rennwagen baute die Zoller-Renngemeinschaft mit Unterstützung der Ersten Darmstädter Karosseriewerke – Georg Autenrieth.
Die fertigen Rennwagen unternahmen bald die ersten Testfahrten auf der neuen Chaussee von Ober-Ramstadt ins benachbarte Modau. Wegen ihres markanten Motorengeräusches nannte die Ober-Ramstädter Bevölkerung die drei Zoller-Wagen »Kreissägen«.
Arnold Zoller arbeitete fast bis zum Umfallen an der »Standfestigkeit« des anfälligen Motors. Dennoch waren beim Debüt auf der AVUS die hochgezüchteten Motoren der Wagen alles andere als ausgereift. Durch den verfrühten Einsatz kam es zu dem Anfangs geschilderten Debakel.
Beim Eifelrennen auf dem Nürburgring kurze Zeit später wiederholte sich die ganze Misere nochmals – alle Zoller-Wagen fielen aus. Aber Arnold Zoller arbeitete unbeirrt weiter und es stellte sich ein erster Erfolg ein: Beim Riesengebirgs-Rennen belegte Ernst von Delius den 2. Platz.
Aber die Rennsaison 1934 war nun fast zu Ende und die Zoller-Renngemeinschaft wollte sich in Ruhe auf die Saison 1935 vorbereiten. Arnold Zollers unerwarteter Tod am 8. Dezember 1934 bedeutete dann das Ende der Renngemeinschaft aus Ober-Ramstadt.
Allein Gerhard Macher versuchte bis zum Zweiten Weltkrieg das Projekt Zoller-Rennwagen wieder zu beleben.
Ăśberlebt hat keiner der Rennwagen. Nur ein Motor in Privatbesitz, einige Zeichnungen und eine Handvoll Fotos in verschiedenen Archiven haben die Zeit ĂĽberdauert und geben Auskunft ĂĽber die Zoller-Rennwagen aus Ober-Ramstadt.

Literatur:
„Der Kompressor – Vom Zoller-Verdichter zum Lader von Motoren“, Graf Wolff Metternich, M., Verlag Max Schmidt & Söhne, München; „Die deutsche Automobilindustrie – Eine Dokumentation von 1886 bis heute“, von Seherr-Thoss, H. C., Stuttgart 1974; „Röhr – Ein Kapitel deutscher Automobilgeschichte“, Schollenberger, W., Darmstadt 1996; Schollenberger, W., Hupe – das regionale Automagazin, „Fast vergessen – Autos aus Südhessen“, Serie Februar bis November 2011 (Echo Zeitungen GmbH Darmstadt); „Röhr – Die Sicherheit selbst“, Schollenberger, W.r, August Horch Museum, Zwickau 2012.



Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Der Zoller Rennwagen vor der Hauptproduktion der Neue Röhr Werke AG 1934

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HochgezĂĽchtete Motor des Zoller-Rennwagens

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Ein Zoller-Rennwagen beim Kesselbergrennen 1934

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Der umgebaute Zoller-Rennwagen bei einem Rekordversuch mit Herbert Wimmer 1935 bei Freiburg i. Br

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M-Sportwagen von Gerhard Macher 1937