Hessische Automobilgeschichte

Die Adler-Werke in Frankfurt

Der 1853 in Darmstadt geborene und aufgewachsene Heinrich Kleyer gründete 1880 in Frankfurt die Heinrich Kleyer GmbH. Das Unternehmen produzierte ab 1881 Fahrräder, die unter dem Markennamen Adler verkauft wurden. Die in die Aktiengesellschaft Adlerwerke vorm. H. Kleyer AG umgewandelte Firma, fertigte dazu ab 1896 Schreibmaschinen.
1900 wurde der Motorwagen No.1 vorgestellt. Adler verwendete zunächst Motoren des französischen Herstellers DeDion-Bouton. Ab 1904 kamen Motoren eigener Konstruktion zum Einsatz, die Edmund Rumpler entwickelt hatte. Die Adler-Wagen hatten einen guten Ruf und das Werk zählte vor dem Ersten Weltkrieg zu den größten Autoproduzenten in Deutschland.
Die Erfolge setzten sich nach dem Ersten Weltkrieg mit dem 6/25 PS und dem Standard 6 fort. Konstruktiv orientierte der Standard 6 sich am amerikanischen Chrysler-Wagen. Dazu präsentierte Adler 1928 das große Achtzylinder-Modell Standard 8 und den Vierzylinder-Wagen Favorit –die ersten deutschen Serienwagen mit hydraulischen Vierradbremsen.
Eine Sensation war die Weltumrundung von Clärenore Stinnes mit einem Standard 6 von Mai 1927 bis Juni 1929. Dies bewies werbewirksam die Zuverlässigkeit der Adler-Wagen.
Die Weltwirtschaftskrise brachte auch die Adler-Werke in Bedrängnis. In dieser schwierigen Zeit fasste der Vorstand der Frankfurter Adler-Automobilwerke den Entschluss, den Typen Standard 6, Standard 8 und Favorit ein kleineres 1,5 Liter-Vierzylinder-Modell zur Seite zu stellen. Direktor Dr. Ing. e.h. Otto Göckeritz und Oberingenieur Gotthilf Henzler übernahmen die Konstruktion des Wagens. Sie entwickelten einen Wagen, der einem verkleinerten Adler Favorit entsprach.
Die neuen Mitarbeiter Hans Gustav Röhr und Joseph Dauben wurden Anfang 1931 ebenfalls mit der Projektierung eines 1,5 Liter-Wagens betraut. Das von ihnen vorgeschlagene Auto war – ganz in »Röhrtradition« – ein modernes Schwingachsenfahrzeug mit Frontantrieb. Aus Kostengründen bekam Röhr die Auflage, möglichst viele Komponenten des Entwurfs von Otto Göckeritz und Gotthilf Henzler zu übernehmen.
Die Vorstellung der beiden neuen Modelle erfolgte dann im März 1932. Der Wagen von Göckeritz und Henzler hatte die Bezeichnung Primus. Der von Röhr und Dauben entwickelten Wagen erhielt den Namen Trumpf. Der Primus war ein konventionelles Auto mit starren Achsen, vorne liegendem Vierzylinder-Motor und Hinterradantrieb. Der Trumpf hatte Einzelradaufhängung und Frontantrieb. Nach Stoewer V5 und DKW F1 gab es nun ein weiteres deutsches Frontantriebsauto.
Die Fachwelt horchte auf. Mit dem Adler Trumpf machten sich Hans Gustav Röhr und der bescheiden im Hintergrund agierende Joseph Dauben – auch international – einen Namen als Frontantriebsexperten. Dabei spielte es anscheinend keine Rolle, dass sich die Konstruktion des Frontantriebsblockes des Trumpf deutlich am Stoewer V5 orientierte.
Selbst der französische Hersteller Citroën überlegte bald ernsthaft, den Trumpf in Lizenz zu bauen. Die Franzosen konstruierten dann doch ein eignes Auto – den 7 CV/11 CV Traction Avant.
Der Trumpf verkaufte sich bald wesentlich besser als sein hausinterner Konkurrent Primus. Im Sommer 1934 feierte Adler die Fertigstellung des 10.000 Trumpf.
Als nächste Modelle waren in der Zwischenzeit unter Röhrs Leitung der neue Adler Favorit und Standard 6 (1934 Dipöomat) entwickelt worden. Die Vorstellung dieser beiden Modelle erfolgte auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung 1933 in Berlin.
Nahezu alle in den dreißiger Jahren bei Adler konstruierten Automobile trugen die »Handschrift« von Hans Gustav Röhr, Joseph Dauben und deren Technikerstab.
Dies traf besonders auf den ab Mai 1934 produzierten Adler Trumpf Junior zu. Er war das konzeptionell modernste Fahrzeug, das Hans Gustav Röhr zusammen mit Joseph Dauben bei Adler konstruierte. Der Wagen hatte Frontantrieb, Vorderradaufhängung an zwei übereinander angeordneten Querblattfedern. Die Hinterräder wurden an zwei geschobenen Längsschwingarmen geführt – abgefedert durch zwei quer angeordnete Torsionsstäbe. Dazu kamen die schon beim Röhr 8 bewährte Zahnstangenlenkung und der typische Tiefbett-Kastenrahmen.
Bei der Konstruktion des Trumpf Junior standen Hans Gustav Röhr, Joseph Dauben und ihre Mitarbeiter unter Zeitdruck. In nur fünf Monaten musste das Projekt vom Zeichenbrett zum Serienanlauf gebracht werden! Deshalb wurden einige Bauteile einfach von der »Konkurrenz« kopiert. So bekam der Trumpf Junior eine Kopie des Fiat 508 Balilla-Motors.
Bis 1941 baute Adler über 70.000 Trumpf Junior. Der Wagen war damit das am meisten gefertigte Adler-Modell und die erfolgreichste Röhr-Konstruktion überhaupt. Damit gehörten die Adler-Werke in dieser Zeit zu den größten deutschen Autoherstellern.
1934 bewegte Hans Gustav Röhr die Adler-Werke, den ebenfalls in Frankfurt ansässigen Max Gerner Flugzeugbau zu übernehmen. Nach einer Handvoll gebauter Adler-Gerner-Doppeldecker geriet das Projekt zu einer »finanziellen Bruchlandung«. Dazu wollte Hans Gustav Röhr noch an den Lizenzgebühren von Trumpf und Trumpf Junior, die inzwischen in Belgien von Imperia und in Frankreich von Rosengart gebaut wurden, beteiligt werden. Es kam zum Bruch und das »Röhrteam« verließ Adler-Werke. Als Nachfolger kam im November 1935 Karl Jenschke von den Steyer-Werken in Wien. Er entwickelte den Adler 2,5 Liter Typ 10 »Autobahnadler«, ab 1937 das erste in größerer Serie gebaute deutsche Stromlinienauto.
Im Krieg war Adler ein Rüstungsbetrieb und produzierte Kübelwagen und Fahrgestelle für Halbketten-Zugmaschinen. Dabei setzte das Unternehmen auch Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge ein. Ein unrühmliches Kapitel, das Adler mit vielen – heute noch existierenden – deutschen Industriebetrieben teilte. Ein Luftangriff im März 1944 beschädigte dann das Werk schwer.
Fast hätte die Arbeit von Hans Gustav Röhr und seinen Mitarbeitern noch Auswirkung bis in das Deutschland der Wirtschaftswunderzeit gezeigt: 1948 präsentierten die Adler-Werke auf der Hannovermesse einen überarbeiteten und modernisierten Trumpf Junior.
Der aus der Internierung in Darmstadt zurückgekehrte Direktor Ernst Hagemeier verhinderte jedoch die Wiederaufnahme des Automobilbaus. Die Hintergründe für diese Entscheidung sind bis heute nicht geklärt. Es sollte nie wieder Automobile mit dem Adler-Emblem am Kühler geben.

Siehe dazu:
„Röhr – Ein Kapitel deutscher Automobilgeschichte“, Werner Schollenberger, Verlag Günter Preuß, 1996; Schollenberger, W., Hupe – das regionale Automagazin, „Fast vergessen – Autos aus Südhessen“, Serie Februar bis November 2011 (Echo Zeitungen GmbH Darmstadt); „Röhr – Die Sicherheit selbst“, Werner Schollenberger, August Horch Museum, Zwickau 2012.



Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler Motorwagen Nr.1

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler-Standard 6

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler Trumpf Limousine

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler Trumpf Cabrio

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler Standart 6 Werbefoto Dr. Paul Wolff & Tritschler

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Adler Diplomat Foto Dr. Paul Wolff & Tritschler

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler Trumpf Junior 2

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Fertigstellung des 10.000. Adler Trumpf 1934

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler Ausstellungsstand auf der IMAA Berlin 1936

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Adler 2,5 Liter Typ 10 - Der Autobahnadler

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Adler Typ 10 Cabrio Karosserie Karmann